Stroh-Quaderballen als Baustein für Schallschutzkonstruktionen: Einfluss struktureller Materialeigenschaften auf ausgewählte Kennwerte der Materialbeständigkeit

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Contributors

  • Marcus Schöbel - (Author)

Abstract

Im Zusammenhang mit moderner Verkehrs- und Umweltschutzpolitik stellt der Schutz vor Lärm eine wesentliche Aufgabe dar. Gesetzliche Grenzwerte und persönliches Empfinden führen zu verschiedenen Lärmschutzvorstellungen. Oftmals führen hohe Baukosten bzw. ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis neben öffentlichen und privaten Belangen (z. B. Ortsbild, Erschließung) zum Scheitern von aktiven Schallschutzmaßnahmen. Es sollen neue Ansätze geprüft werden, welche die geforderten Wirkungsgrade von Schallschutzsystemen auch durch alternative Baustoffe unter Berücksichtigung ökologischer und ökonomischer Aspekte (Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit und Kosten) einhalten. Nachwachsende Rohstoffe unterliegen unter anderem aufgrund von energie- und umweltpolitischen Vorgaben zunehmend einer energetischen und stofflichen Verwertung. Im Baustoffsektor gewinnen beispielsweise Naturfasern als Dämmmaterial immer mehr an Bedeutung.\nDie regional verfügbare und jährlich anfallende Ressource Stroh hat im Vergleich zu industriell hergestellten Baustoffen einen vielfach geringeren Primärenergieinhalt, ein negatives Treibhauspotential, ist vergleichsweise kostengünstig und wird aus agrartechnischen Gründen zu Ballen gepresst ein Energieaufwand entsteht quasi erst ab der spezifischen Verwertung als Baustoff. Der Leitgedanke ist, einen Beitrag zur Erweiterung des Anwendungsspektrums von Stroh als Baustoff zu leisten. Infolge der standsicherheitsbedingten Vorteilhaftigkeit einer hohen Masse im Hinblick auf eine temporäre Aufschichtung einer Schallschutzwand fokussierte sich die Nutzungsidee auf großformatige hochverdichtete Stroh-Quaderballen (m ~ 500 kg, l*b*h ~ 2,40*1,20*0,85 m³, hochverdichtet in Bezug auf den landwirtschaftlichen Verwertungshintergrund, technologiebedingte Verdichtung  ~ 200 kg/m³).\nDie Strohballen verfügen aufgrund ihrer hohen Porosität und einem ausreichendem Flächengewicht über vorteilhafte materialspezifische Grundvoraussetzungen in Bezug auf die schalltechnischen Eigenschaften. Anhand von Ergebnisse aus Tastversuchen in Kombination mit Literaturkenntnissen kann als erste Einschätzung zumindest mit Blick auf die festgestellten guten Schallabsorptionseigenschaften von einer prinzipiellen Eignung von (hochverdichtetem) Stroh als Baustoff für Schallschutzkonstruktionen ausgegangen werden. Neben dieser positiv zu bewertenden Ausgangssituation sind weitere Anforderungen und Kriterien im Hinblick auf die ZTV-Lsw 06 zu beachten. Die Eigenschaften hinsichtlich der Materialbeständigkeit, die aufgrund des organischen Materialcharakters weitaus schwieriger zu handhaben sind, rücken deshalb in den Vordergrund der Untersuchungen. Als problematisch werden insbesondere die Dauerhaftigkeit hinsichtlich der Teilaspekte Entflammbarkeit und Witterungsbeanspruchung eingeschätzt.\nIm Rahmen des Strohballenhausbaus wurden bisher ausschließlich Kleinstrohballen bzw. Strohballen mit Dichten < 150 kg/m³ untersucht. Eine direkte Bestimmung und Bewertung der Eigenschaften auf Grundlage von charakteristischen Kennwerten des Strohballenaufbaus erfolgte bisher nicht. Diese Kenntnisse sind aber wesentlich, um Aufschluss darüber zu erhalten, welche Materialeigenschaften unter welchen Randbedingungen nachteilig sind und wie diese ggf. optimiert werden können. Anhand von Literaturdaten kann davon ausgegangen werden, dass aus Strukturunterschieden voneinander abweichende lokale Materialeigenschaften im Strohballen resultieren können, bei entsprechender Beanspruchung ist aufgrund einer variierenden Baustoffstruktur lokal mit verschiedenen Auswirkungen wie z. B. einer ungleichmäßigen Feuchtigkeitsverteilung innerhalb eines Strohballens zu rechnen.\nDie Zielsetzung war, unter Berücksichtigung ausgewählter äußerer und innerer Beanspruchungsgrößen, den Einfluss von Strohballenkennwerten bzw. -eigenschaften wie Dichte, Halmrichtung, Zusammensetzung und Oberflächenstruktur auf die Kennwerte der Materialbeständigkeit aufzuzeigen. Dafür wurde zunächst der Strohballenaufbau ermittelt. Anschließend erfolgte unter Berücksichtigung der festgestellten strukturellen Strohballeneigenschaften eine ortsaufgelöste Bestimmung und Bewertung der ausgewählten Materialeigenschaften mittels Klein-, Groß- und Bauteilversuchen mit unbehandeltem Stroh (loses und verdichtetes Material). Nach der Definition des Ausgangszustandes der Materialeigenschaften von unbehandeltem Material in Abhängigkeit von der inneren bzw. äußeren Struktur der Strohballen wurde mittels ausgewählter Modifizierungen (zusätzliche Materialien) die Beeinflussung nachteiliger Materialeigenschaften untersucht und bewertet. Darauf aufbauend wurde aus materialspezifischer Sicht eingeschätzt, unter welchen Voraussetzungen eine Eignung als direkter Baustein bzw. Hauptbaustoff für temporäre und permanente Schallschutzkonstruktion besteht.\nAnhand des eingegrenzten Untersuchungsspektrums kann davon ausgegangen werden, dass großformatige hochverdichtete Stroh-Quaderballen als Baustein für Lärmschutzeinrichtungen an Straßen die nach ZTV-Lsw 06 gestellten Anforderungen nur teilweise bzw. unter bestimmten Voraussetzungen erfüllen. Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen haben die Ergebnisse gezeigt, dass durch Modifizierungen die Anforderungen betreffende defizitäre Materialeigenschaften verbessert bzw. die entsprechenden Zielvorgaben der Norm erreicht werden können. Für die Nutzung bzw. Anwendung im öffentlichen Raum ist unabhängig von der Nutzungsdauer die Einhaltung der entsprechenden Normen (aus ZTV-Lsw 06) zwingend. Das bedeutet beispielsweise, selbst bei einer einjährigen und damit vergleichsweise kurzzeitigen Einfriedung einer Baustelle muss die Brandbeständigkeit des Materials gewährleistet sein, sodass ein Schutz der herstellungsbedingten Strohballenoberfläche notwendig wird. Vorzuziehen sind grundsätzlich konstruktive (oberflächennahe) Maßnahmen (Stroh und entsprechendes Material technisch leicht trennbar), damit nach Nutzungsende z. B. für temporär genutztes Material eine problemlose energetische Verwertung oder Rückführung in den Stoffkreislauf möglich ist. Für eine permanente Anwendung sind die Strohballen nur bei ausreichend verfügbarer Aufstandsfläche und unter Berücksichtigung der beiden Problemfelder Witterungsschutz und Brandbeständigkeit geeignet. Die nachträgliche Optimierung einer aufgeschichteten Wand für dauerhafte Zwecke ist allerdings aufgrund des Aufwandes und der somit entstehenden Kosten als baupraktisch ungünstig einzuschätzen. Eine potentiell denkbare Prinziplösung für den dauerhaften Gebrauch wäre z. B. ein Modulsystem in Form einer Holzrahmenkonstruktion mit geringerer Bauteildicke welches im Kern aus verdichteten Strohplatten besteht. Zukünftige Arbeiten könnten diesbezüglich weitere Ergebnisse liefern um eine Verwertung von verdichteten Strohballen als Baustoff für Schallschutzkonstruktionen zu realisieren.

Details

Original languageGerman
Qualification levelDr.-Ing.
Awarding Institution
Supervisors/Advisors
Publication statusPublished - 2015
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Keywords

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  • Schallschutz, Stroh, Materialverhalten