Wider die Deskription: Brecht und der Diskurs des Wohnungselends
Publikation: Beitrag in Fachzeitschrift › Forschungsartikel › Eingeladen › Begutachtung
Beitragende
Abstract
Dieser Beitrag thematisiert die Auseinandersetzung Brechts mit der Woh-
nungsfrage und setzt sie zur deskriptiven Tradition des Naturalismus ins
Verhältnis. Um 1900 waren Wohnungselend und Wohnungsnot zu einem
zentralen Thema sozialer Reformbewegungen geworden. Beschreibungen
des Wohnungselends fanden sich sowohl in naturalistischen Werken als
auch in bürokratischen Untersuchungen, Statistiken und Enquêten. Tatsäch-
lich erwies sich das Wohnungselend als epistemischer Gegenstand, der in
literarisch-bürokratischen Allianzen hervorgebracht wurde. Brechts Ausei-
nandersetzung mit der Wohnungsfrage muss als Bruch mit dieser Tradition
gedeutet werden. In Arbeiten aus den späten 1920er Jahren, allen voran Die
heilige Johanna der Schlachthöfe und Der Brotladen, ist das Wohnungs-
elend nicht mehr Gegenstand epistemischer Untersuchungen, sondern funk-
tionaler Topos, an dem sich widerstrebende kapitalistische Beziehungen
aufzeigen lassen. So wirkt die Darstellung von Wohnungsnot im Brotladen
nicht mehr schockierend und furchterregend, sondern alltäglich. Reformis-
tische Institutionen wie die Heilsarmee, die an der Deskription des Woh-
nungselends beteiligt sind, werden bei Brecht als Nutznießer des Elends
entlarvt
nungsfrage und setzt sie zur deskriptiven Tradition des Naturalismus ins
Verhältnis. Um 1900 waren Wohnungselend und Wohnungsnot zu einem
zentralen Thema sozialer Reformbewegungen geworden. Beschreibungen
des Wohnungselends fanden sich sowohl in naturalistischen Werken als
auch in bürokratischen Untersuchungen, Statistiken und Enquêten. Tatsäch-
lich erwies sich das Wohnungselend als epistemischer Gegenstand, der in
literarisch-bürokratischen Allianzen hervorgebracht wurde. Brechts Ausei-
nandersetzung mit der Wohnungsfrage muss als Bruch mit dieser Tradition
gedeutet werden. In Arbeiten aus den späten 1920er Jahren, allen voran Die
heilige Johanna der Schlachthöfe und Der Brotladen, ist das Wohnungs-
elend nicht mehr Gegenstand epistemischer Untersuchungen, sondern funk-
tionaler Topos, an dem sich widerstrebende kapitalistische Beziehungen
aufzeigen lassen. So wirkt die Darstellung von Wohnungsnot im Brotladen
nicht mehr schockierend und furchterregend, sondern alltäglich. Reformis-
tische Institutionen wie die Heilsarmee, die an der Deskription des Woh-
nungselends beteiligt sind, werden bei Brecht als Nutznießer des Elends
entlarvt
Details
Originalsprache | Deutsch |
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Seiten (von - bis) | 40-61 |
Seitenumfang | 22 |
Fachzeitschrift | The Brecht yearbook |
Jahrgang | 48 |
Publikationsstatus | Veröffentlicht - Nov. 2023 |
Peer-Review-Status | Ja |
Externe IDs
ORCID | /0000-0002-1332-1052/work/146166555 |
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Mendeley | 42ca1814-404c-3406-9eeb-5655bd3afced |