Long-Lasting Real Estate: Anforderungen zukunftsfähiger Gebäude mit langen Lebensdauern

Publikation: Buch/Konferenzbericht/Sammelband/GutachtenMonographieBeigetragenBegutachtung

Beitragende

Abstract

Die Gebäudestruktur in Deutschland unterliegt einem stetigen Wandel, um den Anforderungen und Bedürfnissen seiner Nutzerinnen und Nutzer weiterhin gerecht werden zu können. Funktioniert eine Immobilie oder eine Nutzungsart in ihrer bestehenden Form nicht mehr, war es auch in der jüngsten Vergangenheit ein sehr häufig gewählter Weg, die Immobilie abzubrechen und durch einen Neubau zu ersetzen. Viele Ursachen können potenziell eine solche Entscheidung begünstigen, beispielhaft seien schadhafte Bausubstanzen, Nutzungsänderungen, wirtschaftliche Abwägungen oder rechtliche Anordnungen genannt. Die Verknappung freier Flächen gerade in innerstädtischen Bereichen kann den Abbruch und anschließenden Neubau von Gebäuden künftig noch weiter fördern. Vor dem Hintergrund ökologischer Zielstellungen zu stärkerem Klimaschutz auf nationalem oder internationalem Niveau ist der Abbruch von Bestandsstruktur zumindest kritisch zu hinterfragen. Verknappende Ressourcen für Baumaterialien, hohe Emissionsaufkommen aus der Herstellung neuer Gebäude sowie im Gebäudebestand gebundene Emissionen unterstreichen die wachsende Bedeutung des Gebäudebestandes für den künftigen Umgang mit der bebauten Umwelt. Ziel des Forschungsvorhabens ist eine systematische Untersuchung der Einflussfaktoren auf den Abbruch von Gebäuden. Im Fokus der Untersuchung steht insbesondere die Sichtweise der Immobilieneigentümer und Entscheidungsträger, wodurch eine praxisnahe Erhebung der Einflussfaktoren erreicht wird. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftsgütern haben Immobilien eine deutlich längere Lebensdauer. Je nach Art der Nutzung gibt es in der Literatur Angaben zu Gesamtnutzungsdauern von bis zu 80 Jahren für Wohnimmobilien. Trotzdem kommt es vor, dass Gebäude vor Erreichen dieser Nutzungsdauern rückgebaut werden, wie die statistischen Berichte zur Bautätigkeit der Bundesländer zeigen. Ursachen von Gebäudeabbrüchen sind bislang nicht Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften gibt es zum Stand des Projektbeginns nicht. Ursachen werden vorrangig in Diskussionsräumen im Internet sowie auf den Online-Präsenzen von Unternehmen, welche im Abbruch tätig sind, diskutiert. Zielgruppe dieser Veröffentlichungen sind vorrangig branchenfremde Privatpersonen und potenzielle Auftraggeber. Ebenfalls werden Ursachen von Gebäudeabbrüchen in der statistischen Erhebung der Bautätigkeit erfasst. Die Bautätigkeit umfasst neben der Erfassung von Baugenehmigungen, Baufertigstellungen und Bauüberhängen auch Bauabgänge. Einer der für die Erfassung der Bauabgänge erhobenen Parameter sind Ursachen der Abgänge, wobei diese kategorisiert in acht verschiedene Ursachen für den Abbruch und Nutzungswechsel gegliedert sind. Mit der Forschungsfrage in Zusammenhang stehend sind Untersuchungen zu Lebensdauern von Gebäuden. Wissenschaftliche Erkenntnisse zu Gesamtlebensdauern von Bauwerken verschiedener Nutzungsarten liegen vor. Ebenso existieren wissenschaftliche Untersuchungen zur technischen Lebensdauer von Bauteilen und Bauwerkstoffe. In einem durch ZukunftBau geförderten Forschungsvorhaben wurden bereits die Einflüsse auf die Lebensdauer einzelner Bauwerkstoffe und Bauteile untersucht. Die Lebensdauer von Gebäuden kann zusätzlich über statistische Daten zur Bautätigkeit erfasst werden. Die statistische Erhebung der Bauabgänge berücksichtigt als weiteren Parameter, neben der Bauabgangsursache, das Baujahr abgängiger Gebäude. Fachliche Veröffentlichungen im Kontext von Gebäudeabbrüchen zeigen einen Fokus der Forschung auf Methoden zur bilanzsteuerrechtlichen Behandlung eines Abbruchs sowie Methoden zur Bestimmung der Materialzusammensetzung von Gebäuden und Bewertungen verfahrenstechnischer Methoden zur Aufbereitung und dem Recycling von Abbruchmaterial. Der Stand der Forschung zeigt eine Lücke der Informationsbasis auf. Gebäudeabbrüche sind nur zahlenmäßig in der statistischen Erhebung erfasst. Da für die statistischen Daten der Bautätigkeit nur eine Verpflichtung zur öffentlichen Bereitstellung von Baugenehmigungen und Baufertigstellungen besteht, werden Daten zu Gebäudeabgängen nicht flächendeckend veröffentlicht. Die in der Bautätigkeitsstatistik erhobenen Parameter stellen kein gesamtheitliches Bild der Bauabgangsursachen sowie der Altersstruktur von Gebäuden bei Abgang dar. Erst seit 2016 werden die Datensätze über das gesamtdeutsche Bundesgebiet zusammengefasst und veröffentlicht. Hierbei zeigen sich Lücken in der Informationsstruktur, da die erhobenen Bauabgangsursachen eine Weiternutzung des Grundstücks fokussieren. Eine Erhebung der Entscheidungsstruktur und Parameter der Entscheidungsfindung der Bauherrenschaft wird hierzu nicht erzielt. Dies hat zur Folge, dass Ursachen innerhalb der Bestandsgebäude unbekannt sind. Ein Informationsgewinn aus diesen Entscheidungsparametern ist nicht gegeben. Auch die Altersstruktur abgängiger Gebäude ist bislang nicht systematisch aufgearbeitet worden. Ein Zusammenhang der Ursachen zu der Nutzungsdauer des Gebäudes wird nicht hergestellt. Forschungen zu Ursachen von Gebäudeabbrüchen mit einem gesamtheitlichen, bauwerkbezogenen Ansatz im Kontext Architektur, Konstruktion, Nutzeranforderungen und Wirtschaftlichkeit gibt es nicht. Der bisher untersuchte technische, bauteilbezogene Ansatz berücksichtigt tatsächliche, entscheidungsrelevante Einflussfaktoren nicht. Insbesondere ökologische, soziale und ökonomische Einflüsse, welche aus Sicht der Investoren beziehungsweise der Bauherrenschaft bestehen, sind außer Acht gelassen. Diese bergen jedoch ein großes Potenzial, schließlich sind die Eigentümer der Immobilie die Entscheidungsträger über den möglichen frühzeitigen Rückbau des Gebäudes. Der große Anteil der Bauwirtschaft am Ressourcenverbrauch und Emissionsausstoß stehen im Konflikt zu den im Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung formulierten Zielen zur Klimaneutralität des Gebäudebestandes sowie den weitreichenden Einsparungen von Emissionen (CO2-Äquivalent). Zur Dekarbonisierung und Reduzierung von Roh- und Brennstoffen müssen Gebäude langlebig gedacht werden. Neben den bereits umgesetzten Maßnahmen zur Reduzierung des Energieeinsatzes in der Nutzungsphase ist insbesondere auch die sog. „Grauen Energien“ zu berücksichtigen. Graue Energie entsteht durch den Herstellprozess der Baumaterialien sowie der tatsächlichen Errichtung des Bauwerks und ist in dem Gebäude gespeichert. Bei dem Abbruch des Gebäudes geht diese Energie verloren, da sie nicht wiedergewonnen oder verwertet werden kann. Die Verkürzung der Nutzungsdauer steht demnach in einem konkreten Zusammenhang mit der Erhöhung der Grauen Energie und der damit verbundenen Emissionen. Es ist daher ein besonders dringendes Gebot der Zeit, einen Großteil von Bauwerken möglichst lange zu nutzen und nicht vorzeitig abzubrechen. Die im Rahmen des Projekts avisierte Untersuchung der gesamtheitlichen Einflüsse auf die Lebensdauer und die Entscheidungsgründe für einen vorzeitigen Abbruch aus Sicht der Gebäudeeigentümer stellen eine wichtige Grundlage für die Planung künftiger Gebäude dar. Ein Teilziel des Projektes ist die Bewertung der Faktoren hinsichtlich ihrer Beeinflussbarkeit und ihrer Wirkung auf die Nutzungsdauer. Durch die ökonomische, ökologische und soziologische Bewertung wird eine Entscheidungsgrundlage für Investoren und andere Akteure des Immobilienmarktes geschaffen, welche sowohl für die Planung neuer Immobilien als auch für Bestandsimmobilien von Relevanz ist. Dies führt zu einer nachhaltigen Erhöhung der Gebäudenutzungsdauer und in Verbindung dazu zu einer Reduzierung des Emissionsaufkommens durch Graue Energie im Gebäudesektor. Das Projekt ist als wichtiger Baustein im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung des Gebäudebereichs zu verstehen. Das übergeordnete Ziel des Projektes ist das Wissen über die Verlängerbarkeit der Nutzungsdauer von Gebäuden. Den Teilnehmern des Immobilienmarktes steht aktuell kein Werkzeug zur Verfügung, mit welchem die Einflüsse auf die Nutzungsdauer eines Gebäudes umfassend bewertet werden können. Bestehende Forschungsergebnisse sind für eine praxisnahe Beurteilung nicht geeignet, da soziologische, ökologische und ökonomische Aspekte nicht ganzheitlich berücksichtigt oder keine Auswirkungen auf die Nutzungsdauer dargestellt werden. Im Rahmen des Forschungsprojektes sollen die Grundlagen für ein solches Werkzeug erarbeitet werden. Die gewählten Untersuchungsmethoden stellen eine ganzheitliche und realitätsnahe Identifikation der Einflussfaktoren sicher.

Details

OriginalspracheDeutsch
VerlagTechnische Universität Dresden
PublikationsstatusVeröffentlicht - Apr. 2025
Peer-Review-StatusJa

Externe IDs

ORCID /0000-0001-7157-2143/work/183164531
ORCID /0000-0002-2343-2151/work/183164986

Schlagworte

Schlagwörter

  • Gebäudeabbruch, Bauwerkserhaltung, Statistik, Lebensdauer, Ursachenforschung