Lokales Verbundverhalten von Stahlbeton unter Kurzzeit- und Langzeitbelastung

Publikation: Hochschulschrift/AbschlussarbeitDissertation

Beitragende

Abstract

Die Verbundwirkung zwischen Stahl und Beton stellt die essentielle Grundlage für die Funktionsweise von Stahlbetonbauteilen dar und beeinflusst deren Trag- und Verformungsverhalten maßgeblich. Darüber hinaus sind Rissabstände und Rissbreiten sowie die Mitwirkung des Betons auf Zug zwischen den Rissen vom Verbundverhalten abhängig. Für die Sicherstellung der Ge-brauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit von Gebäuden ist es notwendig die Rissbreiten zu begrenzen. Dies gilt insbesondere für Bauwerke der kritischen Infrastruktur, wie Zwischenlager für Brennelemente, welche häufig länger genutzt werden als ursprünglich geplant. Aufgrund des zeitabhängigen Verhaltens von Beton verändert sich die Verbundwirkung während der Nut-zungsdauer von Bauwerken, was zu einer Zunahme der Rissbreiten führt. Eine realitätsnahe Zustandsbewertung im Hinblick auf die verlängerte Beanspruchungsdauer setzt daher eine ge-naue Kenntnis des Verbundverhaltens und der Rissbreitenentwicklung unter Kurzzeit- und Langzeitbelastung voraus. Die Basis der vorliegenden Arbeit bildet eine umfassende Literaturrecherche zu bestehenden Verbundmodellen, den Einflüssen auf das Verbundverhalten und dessen experimentelle Ermitt-lung sowie die Auswirkungen einer Langzeitbelastung auf den Verbund und die Breite von Rissen. Im Rahmen der Arbeit wurde der Einfluss der Betonfestigkeit, der Verbundlänge und der Probe-körperart auf das lokale Verbundverhalten unter Kurzzeit- und Langzeitbelastung untersucht. Dazu wurden insgesamt 132 Verbundversuche an Auszieh- und Balkenendkörpern durchge-führt. Um Informationen über den örtlichen und zeitlichen Verlauf der Verbundkraftübertragung entlang der Einbettungslänge zu erlangen, wurden faseroptische Sensoren auf den Bewehrungsstäben appliziert und damit die Stahldehnungsverteilung erfasst. Auf Grundlage der Ergebnisse von Versuchen mit einer sehr kurzen Verbundlänge wurden analytische Beschreibungen des lokalen Verbundspannungs-Schlupf-Verhaltens unter Kurzzeitbelastung in Abhängigkeit der Versagensart formuliert. Dabei nimmt der Verbundwiderstand im Falle eines Ausziehversagens nahezu linear mit der Betondruckfestigkeit und bei Auftreten von Spaltrissen in Abhängigkeit der Spaltzugfestigkeit zu. Des Weiteren nimmt die Bruchverschie-bung mit zunehmender Betonfestigkeit ab. Gegenüber dem lokalen Verbundmodell des fib MODEL CODE 2010 weisen die hergeleiteten Beziehungen ein steiferes Verbundverhalten auf. Die Vergrößerung der Verbundlänge im Versuch hatte eine Abnahme der gemittelten Verbund-spannung zur Folge. Insbesondere bei Balkenendversuchen hat die Verbundlänge einen maßgeb-lichen Einfluss auf den Entstehungszeitpunkt von Spaltrissen und damit auf den Verbundwider-stand. Anhand der gemessenen Dehnungen an unterschiedlichen Applikationsorten am Stab konnten Aussagen über die Spannungsverteilung innerhalb des Stabs und über den örtlichen Einfluss der Rippen abgeleitet werden. Die experimentell gewonnen Erkenntnisse wurden durch numerische Simulationen mit diskreter Modellierung der Rippen qualitativ bestätigt. Mithilfe der faseropti-schen Sensoren konnte nachgewiesen werden, dass die Kraftübertragung auch bei sehr kurzen Verbundlängen ungleichmäßig erfolgt und dass das Verbundverhalten eine Ortsabhängigkeit besitzt. Dies trifft im besonderen Maße auf lastnahe Verbundabschnitte zu, welche aufgrund des Ausbruchsverhaltens des Betons einen Bereich gestörten Verbunds darstellen. Auf Grundlage der ermittelten Verbundspannungsverteilungen wurde ein Ansatz zur Abminderung des Ver-bundwiderstands für diesen Bereich formuliert. In den Verbundversuchen unter Langzeitbelastung wurden deutliche Verformungszuwächse während der Belastungsdauer aufgezeichnet, welche keine Abhängigkeit von der Verbundlänge und nur einen geringen Einfluss von der Betonfestigkeit aufwiesen. Bestehende Modelle unter-schätzen den Effekt des Verbundkriechens. Der vorgeschlagene Berechnungsansatz kann mit der lokalen Verbundspannungs-Schlupf-Beziehung verknüpft und die Schlupfzunahme für eine beliebige Belastungsdauer bestimmt werden. Zur Untersuchung der Rissbreitenentwicklung unter Dauerlast wurden Dehnkörperversuche mit einem zentrisch einbetonierten Stab und unterschiedlichen Querschnittsabmessungen durchge-führt. Mithilfe faseroptischer Sensoren wurde während einer Langzeitbelastung von 1.000 h eine Rissbreitenzunahme von bis zu 20 % ermittelt. Aus den Dehnkörperversuchen ließ sich ableiten, dass die Auswirkungen des Verbundkriechens auf die Rissbreite mit zunehmendem Beweh-rungsgrad und zunehmendem Belastungsniveau abnehmen. Unter Anwendung der schrittweisen Integration der Differentialgleichung des verschieblichen Verbundes wurden vergleichende Berechnungen auf Basis bestehender Modelle zum Verbund und zum Verbundkriechen sowie den hergeleiteten lokalen Beziehungen durchgeführt. Die berechneten Schlupf- und Verbundspannungsverteilungen weisen im Vergleich mit den ver-suchstechnisch ermittelten Verläufen ein hohes Maß an Übereinstimmung auf. Größere Abwei-chungen wurden im Falle eines Spaltbruchversagens erzielt. Die in den Dehnkörperversuchen ermittelten Rissbreiten konnten anhand der hergeleiteten Beziehungen für kleine Querschnitts-abmessungen zutreffend prognostiziert werden, während mit dem Verbundmodell des fib MODEL CODE 2010 die Rissbreiten überschätzt werden. Die Berechnungsergebnisse zur Rissbreiten-zunahme infolge Verbundkriechens bestätigen die in den Versuchen gewonnen Erkenntnisse qualitativ. Abschließend erfolgt eine kompakte Zusammenfassung der wichtigsten technischen und wissen-schaftlichen Ergebnisse und gewonnen Erkenntnisse zum lokalen Verbundverhalten und dessen Einfluss auf die Rissbreitenentwicklung unter Langzeitbelastung.

Details

OriginalspracheDeutsch
QualifizierungsstufeDr.-Ing.
Gradverleihende Hochschule
Betreuer:in / Berater:in
  • Curbach, Manfred, Gutachter:in
  • Hofmann, Jan, Gutachter:in, Externe Person
  • Tue, Nguyen Viet, Gutachter:in, Externe Person
Förderer
  • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)
Datum der Verteidigung (Datum der Urkunde)30 Apr. 2024
PublikationsstatusVeröffentlicht - 15 Okt. 2024
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Externe IDs

ORCID /0000-0002-7909-5895/work/170107016

Schlagworte

Forschungsprofillinien der TU Dresden