John Stuart Mill in der ökonomischen Diskussion seiner Zeit

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Abstract

Betrachtet man den Stand der ökonomischen Wissenschaft in England Mitte des 19. Jahrhunderts, so präsentiert sich ein recht uneinheitliches Bild. Einerseits genießen ökonomische Schriften, insbesondere Adam Smiths Wohlstand der Nationen, hohe öffentliche Anerkennung. Zudem werden ökonomische Fragen in den zahlreichen neu entstandenen Journalen, wie etwa der Westminster Review, Blackwood’s Magazine etc., debattiert und von unterschiedlichsten Autoren aus unterschiedlichsten Blickwinkeln erörtert. Andererseits handelt es sich dabei jedoch überwiegend um eine Art politische, zum Teil gesellschafts- und sozialpolitische Diskussion, die nach unserem heutigen Ökonomieverständnis wohl eher als "tagespolitische Debatte" anzusehen wäre. Letztlich ging es hier um Vorschläge für die Lösung konkreter wirtschaftlicher und sozialer Probleme, wobei die hierbei eingenommenen Positionen durchaus nicht durchwegs mit ökonomischen, sondern beispielweise auch mit moralphilosophischen oder philanthropischen Argumenten verteidigt wurden, so etwa dann, wenn es darum ging, Lösungsvorschläge zur Beseitigung der Armut in der Arbeiterklasse zu unterbreiten. In dieser politischen Diskussion schienen vielen zeitgenössischen Kritikern die Aussagen der radikalen Ökonomen, die sich vor allem auf Thomas Robert Malthus’ "ehernes Bevölkerungsgesetz" beriefen, demzufolge die Produktion von Nahrungsmitteln langfristig nicht mit der Bevölkerungsvermehrung Schritt halten kann, als schlichtweg ungeeignet zur Beschreibung der Realität. Zudem gelten die Analysen beispielsweise eines David Ricardos als viel zu abstrakt, um tatsächlich auf reale wirtschaftliche Zusammenhänge angewendet werden zu können. Eine derartig als Wissenschaft betriebene Ökonomie, so die Kritik der Zeitgenossen, sei ungeeignet, um die Erkenntnisse der Geschichte und der sozialen Entwicklung adäquat in ihrer Theoriebildung berücksichtigen zu können. Zudem werden die Aussagen der Ricardianischen Ökonomie, die Lehren Thomas Robert Malthus’ und nicht zuletzt die Moralphilosophie Jeremy Benthams von den Zeitgenossen als inhuman und gefährlich eingestuft.

Mills Anliegen ist es, Ökonomie als Wissenschaft zu etablieren und sie gegen die Anfeindungen seiner Zeitgenossen zu verteidigen. Dabei geht es ihm einerseits darum, die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften überhaupt "salonfähig" zu machen und in den Stand einer Wissenschaft zu erheben. Andererseits aber ist es insbesondere die Methode der Ricardianischen Ökonomie, die er als die "richtige" wissenschaftliche Vorgehensweise der ökonomischen Wissenschaft aufweisen und etablieren will. Sein Ziel ist es dabei nicht, die Gegner der Ricardianischen Ökonomie direkt zu attackieren oder ihre Ansichten theoretisch zu widerlegen, vielmehr möchte er sie mit Ricardos Ansichten versöhnen. So versucht er entweder zu zeigen, dass ihre Kritik an Ricardo auf Missverständnissen beruht oder aufzuweisen, dass die unterschiedlichen Schlussfolgerungen unterschiedlichen Ausgangsprämissen geschuldet sind.

Details

OriginalspracheDeutsch
TitelÖkonomie Nach-denken:
Redakteure/-innenHans G. Nutzinger, Herwig Unnerstall, Gotlind Ulshöfer
ErscheinungsortMarburg
Herausgeber (Verlag)Metropolis-Verlag
Seiten11-40
Seitenumfang30
ISBN (Print)978-3-7316-1078-6
PublikationsstatusVeröffentlicht - 2014
Peer-Review-StatusNein

Schlagworte

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  • John Stuart Mill