Die Rückkehr des Luchses (Lynx lynx) – eine Analyse der Akzeptanz bzw. des Meinungsbildes der Schaf- und Ziegenhalter im Freistaat Sachsen

Publikation: Hochschulschrift/AbschlussarbeitBachelorarbeit

Beitragende

  • Paula Sinapius - (Autor:in)

Abstract

In Deutschland gibt es aktuell drei Luchspopulationen, die sich im Bayerischen Wald, dem Pfälzer Wald und dem Harz nach aktiven Wiederansiedlungen etablieren konnten. Eine Vernetzung der bestehenden Populationen ist aufgrund des konservativen Ausbreitungsverhaltens der Luchse trotz vorhandener geeigneter Lebensräume bisher nicht gelungen. Ein genetischer Austausch zwischen den mitteleuropäischen Populationen ist für das langfristige Überleben der Luchse existenziell. Es ist daher dringend notwendig, dass durch weitere Wiederansiedlungen und Umsiedlungen Trittsteinpopulationen entstehen, die ein Bindeglied zwischen den wiederangesiedelten und autochthonen Luchs-Populationen bilden.
Im Zuge des Projektes „RELynx Sachsen“ sollen ab dem Jahr 2024 bis zu 20 Luchse in die sächsischen Mittelgebirge umgesiedelt werden. Wiederansiedlungen können nur gelingen, wenn die Akzeptanz in der Bevölkerung gegeben ist. Akzeptanzanalysen stellen daher eine sinnvolle begleitende Maßnahme bei Projekten dieser Art dar. Im Fokus sollten dabei die besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen, wie Nutztierhalter und
Jäger stehen.
Ziel dieser Arbeit war es also, im Rahmen einer online Befragung der sächsischen Schafund Ziegenhalter ein Meinungsbild zu erstellen und die Kritikpunkte an dem bestehenden Großraubsäugermanagement zu erfassen. Mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens wurden Schaf- und Ziegenhalter im Haupt- oder Nebengewerbe aus ganz Sachsen befragt. Um möglichst viele Menschen zu erreichen und ihnen die Möglichkeit zu geben schnell, anonym und unkompliziert an der Umfrage teilzunehmen, wurde eine online Umfrage mit der Open Source Software Lime Survey erstellt. Der Zugang zu der Online-Befragung wurde via E-Mail verschickt.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass der Großteil (79 %) der sächsischen Schaf- und Ziegenhalter ein grundlegend gutes Wissen zum Beutespektrum, Sozial- und Raumverhalten des Luchses und zu den Maßnahmen des Großraubsäuger-Managements haben. Zum Vorkommen des Luchses in Sachsen und Deutschland hingegen fühlen sich Befragten am schlechtesten informiert. Die Schaf- und Ziegenhalter stehen einer Wiederbesiedelung Sachsens durch den Luchs ambivalent gegenüber. Knapp die Hälfte der Befragten stimmt für eine Wiederbesiedlung durch eine „natürliche Zuwanderung“, unter „Einbeziehung der Öffentlichkeit“ und „wissenschaftlich begleitet“. Davon sind immerhin 17 % der Befragten in Sachsen für eine aktive Aussetzung. Nur knapp ein Drittel der Befragten meint, dass eine Wiederbesiedlung „unter keinen Umständen“ stattfinden sollte, der Rest (ca. 20 %) enthielt sich. Das heißt, grundsätzlich ist eine Akzeptanz unter den befragten sächsischen Schaf- und Ziegenhaltern gegeben. Die Sorge vor Übergriffen auf Haus- und Nutztiere überwiegt bei den meisten und sollte unbedingt ernst genommen werden. Um Übergriffen vorzubeugen hat die überwiegende Mehrheit Präventionsmaßnahmen ergriffen. Die meisten (85 %) haben wolfssichere
Zäune zum Herdenschutz angeschafft. Als Kritikpunkte am Management der
Großraubtiere wurden vor allem „fehlende bzw. schwierige Regulierung von
Großraubsäugern“, „zu hoher bürokratischer Aufwand“ sowie „unangemessene
Entschädigung“ genannt.
Als Hauptgründe für eine geringe Akzeptanz und daraus möglicherweise resultierende illegale Abschüsse werden an erster Stelle die Konkurrenz zwischen Jäger und Luchs (47 %), an zweiter Stelle Übergriffe auf Haus- und Nutztiere (41 %) genannt. Als ausschlaggebender Faktor zur Verhinderung illegaler Abschüsse werden von der Hälfte der Befragten Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit sowie eine legale Bejagung mit Schon- und Jagdzeiten und einer Bestandesobergrenze genannt. Zur Förderung einer positiven Einstellung dem Luchs gegenüber wird am häufigsten (70 %) eine bessere Kommunikation unter den Betroffenen angegeben. Das heißt, den Befragten ist ein Austausch mit anderen Nutztierhaltern und Jägern wichtig, um Erfahrungen zu teilen.
Aus diesen Ergebnissen können notwendige Maßnahmen für ein zukünftiges
Luchsmanagement abgeleitet werden: effektive Präventions- und
Schadensausgleichsmaßnahmen bei der Nutztierhaltung und ein
Kommunikationskonzept unter anderem mit Strategien für eine intensive Aufklärungsund Öffentlichkeitsarbeit, Wissensvermittlung, die sich auch besonders an die Landwirte und Jäger wendet sowie Strategien für ein proaktives Konfliktmanagement. Entscheidend ist ebenfalls ein effektives Monitoring, um ein gutes Wissen zur Luchspopulation in Sachsen erzielen zu können.
Es ist entscheidend diese besonders betroffene Bevölkerungsgruppe von Anfang an in die Prozesse einer Wiederansiedlung einzubinden. Auf der einen Seite sollte über Vorkommen und Ökologie des Luchses über Funk, Fernsehen und Presse, Vorträge, Internet und Informationsmaterial informiert werden. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, Veranstaltungen zu organisieren und Räume zu schaffen, in denen ein Erfahrungsaustausch unter den betroffenen Akteuren möglich ist und ein lösungsorientiertes Miteinander sowie Strategien für Konfliktlösungen etabliert werden. Proaktive Öffentlichkeitsarbeit mit niedrigschwelligen Angeboten auf Veranstaltungen für Schaf- und Ziegenhaltern ohne zusätzlichen Zeitaufwand für die Betroffenen ist dabei besonders wichtig. Die Fronten zwischen den einzelnen Interessensgruppen können dadurch entschärft werden. Für eine langfristige Wiederbesiedlung Sachsens durch den
Luchs ist dieses Vorgehen essenziell.

Details

OriginalspracheDeutsch
QualifizierungsstufeBachelor of Science
Gradverleihende Hochschule
Betreuer:in / Berater:in
  • Zschille, Jana, Hauptbetreuer:in
  • Schmid, Marlen, Gutachter:in, Externe Person
Datum der Verteidigung (Datum der Urkunde)7 Feb. 2023
PublikationsstatusVeröffentlicht - 7 Feb. 2023
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